Das Opfer
Das Flugbuch meiner verflossenen Freewing Bubles ist ziemlich spektakuläre Lektüre. Eine beeindruckende Serie von Missgeschicken und hausbackenen Reparaturen trugen mir die Bemerkung eines Pilotenkollegen ein, das Modell bestehe aus mehr UHU-Por (UHUs Spezialkleber für Kunststoffschäume) als ELAPOR (Modellbau-Kunststoffschaum). Obwohl verbeult, verdreht und mit allerlei aerodynamischen Unschönheiten versehen, war dieser kleine Rennsegler mit nur 800 mm Spannweite ein hervorragender Trainer und Fun-Flyer, und das zu minimalen Kosten. Zudem war die Bubles mein einziges Modell, mit welchem ich mich traute hinter dem Haus zu fliegen. Das sparte mir einige Pendelkilometer zum Flugplatz.
Ein dummer Pilotenfehler war es, welcher ihr Schicksal vor ein paar Tagen besiegelte. Ausser einem bröseligen Trümmerhaufen ohne Aussicht auf Reparatur blieb nichts übrig. (Das obige Bild stammt vom zweitletzten Zwischenfall, bei welchem nur das Seitenruder und das Getriebe des Seitenruderservos zerstört wurden. Die Bubles hatte sich bei einem Landeunfall überschlagen.)
Die Suche
„Le roi est mort, vive le roi!“ – Ersatz wird dringend benötigt. Jetzt wo die Bubles weg ist, was rückt nach? – Eine neue Bubles? – Nein, ich glaube nicht. Ich hätte schon immer gerne etwas mehr Spannweite und bessere Segeleigenschaften gehabt. Ausserdem hat sich dieses Thema schon von selbst erledigt, denn die Bubles ist auf dem Markt nicht mehr erhältlich. Ich hatte schon früher etwas Ahnenforschung betrieben (siehe Kennen Sie Bubles?) und herausgefunden, dass die Bubles zwei fast eineiige Zwillingsschwestern hat: Die Multiplex Merlin und die Hobby King Kinetic 800. Nicht vom selben Hersteller, aber aus den selben Gussformen. Aber auch diese beiden sind aus den Läden längst verschwunden. Also suchen wir uns was neues.
Freewing scheint es mit den Seglern nicht ganz ernst zu nehmen. Multiplex hingegen hat eine beachtliche Produktpalette vorzuweisen. Ich blättere durch ihre Segler-Familie von klein nach gross, dort anfangen wo die Merlin früher war, also ganz unten. Als erstes kommt die Panda. Ihre Spannweite von 1160 mm ist genau das, was ich meinte mit „etwas mehr“. Dass sie keine Querruder hat und ein reines Anfängermodell ist, fällt mir leider erst auf, als ich mit ihr im Einkaufskorb an der Kasse stehe. Kein würdiger Ersatz, weder für die Bubles noch für die Merlin. Nein danke!
Auftritt FunGlider
Als nächstes kommt die FunGlider. Wir haben inzwischen 1300 mm erreicht. Streng nach den Zahlen beurteilt ist die FunGlider etwas zu gross für meine Zwecke. Aber nach der Feature-Liste ist sie der perfekte Ersatz. Oder müssten wir das in diesem Fall „Upgrade“ nennen?
Zu kaufen gibts hier in der Gegend leider nur die RR-Versionen, also fertig aufgebaut, ausgerüstet und dekoriert, nur ohne Empfänger und Akku. So wie es aussieht gibt der Hersteller die FunGlider nicht als Bausatz raus. Ich mag diese „Ready-to-fly“-Dinger von Multiplex nicht (siehe Multiplex Heron – Das Unboxing). Meine bisherigen beiden RR-Modelle (PC-6 and Heron) waren IMHO hervorragende Bausätze, welche beim Zusammenbau durch mittelmässiges Handwerk und Mangel an Weitblick schon ab Werk entwertet worden waren. Die Multiplex-Leute platzieren die Komponenten, die Kabel und auch die Dekor-Kleber nie dort, wo ich sie gerne hätte. Und das machen sie mit Entschlossenheit und übermässig viel Heissleim und anderen bombensicheren Klebeprodukten. Mein Plan B, dass ich mir die FunGlider in unverbastelten Ersatzteilen zusammenkaufe, scheitert leider an der Lagerhaltung meiner Lieferanten. Ich habe Urlaub und brauche die FunGlider jetzt. Friss oder stirb! Zumindest bleibt die Einkaufsliste so relativ kurz:
- 1 Multiplex RR FunGlider, Artikel-Nr.: 264273
- 1 Lemon Rx DSMX kompatibler 6-Kanal-Empfänger mit zwei Diversity-Antennen
- 1 ePower EXP LiPo 950mAh 11.1V 35C Akku
- 1 Paar XT60-Stecker
Empfänger
Die Ersatzteilkiste bietet gratis einen Lemon Rx DSMX 6-Kanal, einen Spektrum AR6210 und einen AR8000 an, die letzteren beiden mit je einem Satelliten. Für meinen Plan ist der AR8000 ist allerdings zu sperrig und beim AR6210 zeigen die Antennen und Servoanschlüsse in die falsche Richtung. Der Entscheid fällt also nicht schwer.
Der Empfänger kommt direkt hinter dem Höhenruder-Servo an die Backbord-Wand. Befestigt wird er mit selbstklebendem Klettband aus dem Bausatz. Die beiden Antennendrähte habe ich mir so zurecht gedreht, dass sie auf entgegengesetzten Seiten in Längsrichtung aus dem Empfänger ragen, der eine gerade nach vorne mit der Antennenspitze zur Nase, der andere nach hinten, wobei hier der Antennenteil zur Verbesserung der Diversität um 90 Grad zur Seite in die Querachse gebogen ist. Das orange Plastikröhrchen auf dem Bild schützte die vorwärts gerichtete Antenne und hielt sie in Position. Es wurde allerdings später entfernt und die Antenne ein paar Millimeter nach oben in die Spalte zwischen der ELAPOR-Wand und dem hellgrauen Plastikrahmen verschoben. Die hintere Antenne ist nicht sichtbar.
Stromversorgung
Ich setze nicht den empfohlenen Multiplex-Akku ein. Stattdessen beschaffe ich mir einen ePower-Lipo, welcher gemäss den untenstehenden Zahlen kleiner und 30 Gramm leichter ist, bessere Leistungen hat und erst noch fast nur die Hälfte kostet.
Kennzahl | MPX FX 3/1-950 | ePower EXP |
---|---|---|
Nennspannung (V) | 11.1 | 11.1 |
Kapazität (mAh) | 950 | 950 |
Abmessungen (mm) | 35 x 20 x 73 | 26 x 19 x 73 |
Gewicht (g) | 103 | 70 |
Entladestrom, Dauer (A) | 24 | 33 |
Entladestrom, Spitze (A) | 48 | 66 |
Ladestrom (A) | 2 | 3 |
Ladenpreis ohne Versand (CHF) | 36.- | 21.- |
Der ePower-Lipo hat einen roten JR-Stecker. Beim Regler der FunGlider wurde, wie für ein Produkt aus dem Hause Multiplex nicht anders zu erwarten, eine grüner MPX-Stecker verbaut. Welchen soll ich ersetzen? Beide sind „falsch“. Gemäss den Standards bei Flying Tom gehören da XT60 angelötet, die Gelben.
Im Akku-Fach gibt es mehr als genug Platz. Gelegentlich werde ich mit grösseren Akkus experimentieren. Der 950-mAh-Lipo liegt hier ganz an der Steuerbord-Wand. Erfolglos wurde damit versucht, die unausgeglichene Gewichtsverteilung der Flügel zu kompensieren (siehe Kapitel Balance unten).
Balance
Mit dem kleineren Akku und dem leichtgewichtigen Lemon-Empfänger erwarte ich eigentlich, dass ich in der Nase etwas Ballast nachlegen muss. Zu meinem grossen Erstaunen präsentiert sich die FunGlider in dieser Konfiguration auf der Schwerpunktwaage sehr kopflastig. Nicht weniger als 10 Gramm lege ich aufs Höhenleitwerk, bis der Schwerpunkt auf die angegebenen 57 mm zurückgegangen ist. – Was ist da falsch?! – Meine etwas verspätete Lektüre der Anleitung fördert dann aber zu Tage, das man genau das machen soll: Trimgewichte am Heck anbringen. Speziell für diesen Zweck gibt es im Leitwerk zwei Löcher. Der Bausatz enthält rund 24 Gramm Ballastkugeln verschiedener Kaliber. Multiplex hat sogar an die passgenauen Kleber zum Verschliessen der Löcher gedacht. – RTFM!
Ich verwende die Multiplex-Ballastkügelchen jedoch nicht. In meinen Vorräten habe ich zwei 5-grämmige Auswuchtgewichte aus dem Autozubehör-Handel gefunden, welche genau in die Ballastlöcher im Leitwerk passen. So brauche ich nichts zu kleben, und meine FunGlider wird nicht rasseln wie eine Klapperschlange.
Mein Exemplar der FunGlider kippt relativ heftig auf die Backbordseite, wenn ich sie für einen Gleichgewichts-Check vollständig ausgerüstet auf eine ebene Fläche lege. Das tat sie übrigen schon bevor die Tragflächen bemalt wurden. Ich muss 3.5 Gramm auf die Flügelspitze auf Steuerbord legen, damit sie ausbalanciert ist. Die Gewichtsverteilung scheint nicht zu stimmen. Die Flügel zu wiegen wird keine Klarheit bringen, da der Mechanismus der Flügelbefestigung nicht symmetrisch auf die beiden Hälften verteilt ist. Ich habe versucht mit der Positionierung des Akku dagegen zu halten. Der Effekt war bescheiden. Ich hoffe, dass sich das über die Querruder austrimmen lässt.
Sichtbarkeit
Das Standard-Dekor der RR-FunGlider in Weiss, Grau und Rot sieht hübsch aus. Es ist aber leider etwas arg bleich geraten. Zudem sehen die Muster auf den Ober- und Unterseiten aus der Ferne ziemlich gleich aus. Gerne hätte ich ein etwas kräftigeres und differenzierteres Farbschema. Es kann nicht schaden, wenn anhand der Farbgebung erkennbar ist, von welcher Seite man sein Flugzeug anschaut. Vor allem beim Fliegen an der Sichtgrenze bewahrt einen das vor Ärger und Kosten.
Selbst ist der Mann! – Ich reisse die grossflächigen Dekor-Kleber vorsichtig von den Flügeln ab und hoffe, dass die ELAPOR-Oberflächen dabei nicht kaputt gehen. Nur zur Erinnerung: Wenn du den Flieger nicht so brauchen willst wie er aus der Schachtel kommt, dann kauf bloss keine RR-Version! (Über die Heissleim-Schweinerei im Batterie-Fach habe ich noch nicht mal angefangen zu lamentieren. Auch nicht über das Seitenruderhorn, welches schon beim ersten Einschalten des Empfängers abgefallen ist. Und die Kleber, mein Gott, ganz zu schweigen von den Klebern! Die haben einfach alles irgendwo drauf gepappt, was der Dekor-Bogen hergab. Einmal den Namen anzuschreiben würde völlig reichen. M-Link braucht auch nicht drauf zu stehen, wenn kein M-Link drin ist. Weniger wäre mehr. Ich will doch keinen Multiplex-Gimmick spazieren fliegen.)
Wie befürchtet sind einige Nacharbeiten an den Oberflächen nötig. Mühsam entferne ich mit 120er- und 320er-Schleifpapier die hartnäckigen Leimrückstände. Ohne Witz, ich habe tatsächlich zum ersten Mal in meiner Modellbauerkarriere an einer Schaumwaffel herumgeschliffen. Mit den Lackierarbeiten stellen sich aber die Erfolgserlebnisse schnell ein. Es zeigt sich, dass die teure Multiplex-Spraydose mit ELAPOR-Spezialfarbe ihr Geld wert ist. Die Deck- und Leuchtkraft der einen Schicht Seidenglanz-Rot ist verglichen mit den Resten des bleichen alten Dekors am Heck überwältigend. Dieses Bild wurde notabene an einem regnerischen Tag mit dichter dunkler Wolkendecke gemacht. Deswegen sind keine Schatten erkennbar.
Die Unterseiten bleiben unlackiert weiss. Lediglich die schwarzen Originalschriftzüge lasse ich kleben. Wenn mir demnächst mal langweilig wird, werde ich auch die alten „Verzierungen“ am Heck ersetzen.
Es regnet. Ich kann den Erstflug kaum erwarten …
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