Bleifreies Lötzinn, so ein Blödsinn!

Ich habe geglaubt, ich hätte beim Löten den Bogen raus. Dann kommt’s knüppeldick: Mein Vorrat an Lötzinn geht zur Neige. Die „Hausmischung“ Sn60Pb39Cu1 ist bei meinen Hoflieferanten nicht mehr zu bekommen. Ich nehme was anderes und scheitere kläglich.

„@#§%@!!“ – Es geht nicht mehr

Das neue Lötzinn will nicht mehr schmelzen und schon gar nicht mehr fliessen. Sämtliche Versuche über alle Temperaturbereiche meiner 50-Watt-Lötstation und mit Lötspitzen in allen Grössen und Formen enden mit – äh sagen wir mal – extrem durchschnittlichen Ergebnissen.

Während die dünnen Drähtchen des Empfänger-Stromkreises noch einigermassen lösbare Aufgaben darstellen, ist im Hochstrombereich des Antriebs Schluss mit lustig. Löte ich heiss und lange genug, dass sich das Lot auch wie Lot verhält und nicht wie Spachtelmasse, dann schmelzen die Stecker und Kabelisolationen. Nachdem für 20 Franken AWG12-Kabel und XT150- und EC5-Stecker für eine 100 Ampere Anwendung kaputtgelötet wurden, gehe ich an die Ursachenforschung.

Blei im Lötzinn ist verboten

Dies hier habe ich auf die harte Tour gelernt:

Der Verkauf von Lötzinn mit einem Bleianteil grösser als 0.3% an Private ist in der Schweiz seit 1.9.2018 verboten. Es sei bei unsachgemässer Verwendung „reproduktionstoxisch“, also Schäden im Erbgut. Mein Pb39 von oben enthält davon nicht weniger als 39%. Das was man heute bei den Schweizer Versandhändlern und in den Baumärkten kriegt ist fast reines Zinn, leicht legiert mit etwas Kupfer und eventuell noch Silber, z.B. Sn95Ag3.8Cu0.7. Dass das Zeug einen bedeutend höheren Schmelzpunkt und miserable Fliesseigenschaften hat, lässt sich im Web nachlesen. Dort wird dem Ungeübten ohnehin ausdrücklich von der Verwendung des bleifreien Lötzinns abgeraten. Zu gross ist das Frustpotential.

Wie wahr! – Für meine gescheiterten Versuche verwendete ich Sn99.3Cu0.7.

Aus der industriellen Fertigung ist das bleihaltige Lötzinn schon länger verschwunden, nicht zuletzt wegen Umwelt-Auflagen. Dort können die schlechten Eigenschaften durch ausgefeilte Verfahrenstechnik kompensiert werden. Im professionellen Handwerk wird noch Blei verwendet. Die Leute wissen was sie tun und könn(t)en sich und die Umwelt schützen.

Der „verbleite“ Modellbauer

Bekanntlich ist das Lötzinn nicht der einzige bleihaltige Werkstoff im Modellbau. In meiner Schublade liegt sorgsam verpackt über 1 Kilogramm reines Bleischrot, welches ich als abgezählte Kügelchen oder als gegossene Formteile im Ballast verwende (siehe Baubericht der RCRCM Sunbird). Über den seriösen Umgang mit Blei haben ich und meine Modellbaukollegen uns natürlich schlau gemacht. Und das mit dem Händewaschen und Gut-Lüften kennen wir auch nicht erst seit Corona.

Von all dem anderen Teufelszeug, mit welchem wir in diesem Hobby gelegentlich beim Formen, Kleben und Malen in Kontakt kommen, wollen wir hier gar nicht reden. Den Beipackzettel sollte man halt schon lesen und sich danach verhalten.

Ich hole mir neu mein giftiges Sn60Pb40 im Durchmesser von 0.7 und 1.0 mm nicht mehr in Otto Normalverbrauchers Detailhandel sondern beim Zulieferer des Handwerks. Den Profi haben sie mir dort bisher abgekauft. Die Quelle möchte ich nicht öffentlich preisgeben. Nicht dass mir der Gesetzgeber und die Exekutive auch diesen Hahn wieder zudrehen.

Auf die Qualität des bleihaltigen Lötens möchte ich nicht mehr verzichten müssen.

Nachtrag 27.02.2021: Sensibilisiert durch die obigen Vorkommnisse habe ich seither die Sortimente im Detailhandel stichprobenweise überprüft. Das mit dem Verbot scheint nicht so heiss gegessen zu werden. Das Bleihaltige ist immer noch da, einfach irgendwo unten links im Regal, wo man es nicht auf Anhieb findet. Die Modellbau-Versandhändler liefern es auch, entweder auf Anfrage oder offen im Webshop. Der Umstieg auf Bleifrei ist nicht so dringend.

Videos über das Löten

Ingmar Grote hat eine gute Serie von Löt-Videos im Bereich Modellbau auf YouTube.

Dieses Video deckt speziell das Anlöten der Hochstrom-Stecker ab. Kurz, klar und hilfreich, auch wenn Ingmar das Steckergehäuse verbrutzelt, weil er wegen der Kamera sichtbehindert und gegen die Hand arbeitet. Bei mir gelten Lötungen mit angeschmolzenen Steckern als gescheitert, weil sich die Schrumpfschläuche oder im Fall von XT90 die Abschlussteile eventuell nicht mehr ordnungsgemäss anbringen lassen.

4 Gedanken zu “Bleifreies Lötzinn, so ein Blödsinn!

  1. Ich dreh echt durch. Nun weiss ich, wieso ich seit ein ca. 2 Jahren – seitdem meine Uraltvorräte aufgebruacht sind – so Probleme mit dem Löten habe. Danke!

  2. Bleifreies Löten geht ganz einfach, man muss nur wissen wie 😉 Das hier zu verteufeln, weil man keine Ahnung hat, finde ich schade. Bleifrei gelötet wird schon seit eh und je in der Bestückung von Leiterplatten und Co. (natürlich bei THT auch per Hand).
    Was dir fehlt ist nichts weiter als gutes Lötzinn (bleifrei), gutes modernes Flussmittel und eine halbwegs vernünftige aktiv geregelte Lötstation.
    Einfach mal beim Bestücker anschauen, wie die das machen oder jemand der soetwas beruflich macht.

    • Hallo Marius, herzlichen Dank für deine Feedback. Ich bin auch der Meinung, dass das mit dem bleifreien Lötzinn eine lösbare Aufgabe sein müsste. Wenn man aber einfach auf bleifrei umstellt ohne die Werkzeuge und Verfahren anzupassen, dann geht es schief. Vor allem für uns Hobby-Löter, die vielleicht 7 Mal im Jahr was grössere löten wollen. Ich habe schon einen Blog-Beitrag zu dem Thema in Arbeit. Wenn du da noch Tipps oder einen guten Link dazu hast, wird das gerne genommen ;-), Gruss, Tom

  3. Wie schon erwähnt: das Lötzinn ist nicht das Problem – aber wenn man mit einem Uralt-Lötkolben arbeitet, der gerade so noch um die 300°C schafft und die Hitze auch nicht gut hält, macht das keinen Spaß. Es sollte schon eine Lötstation mit Regelung sein, wo man auch mit 350°C arbeiten kann und wo die Hitze nicht gleich beim ersten Kontakt mit der Lötstelle einbricht. Mitunter hilft auch eine andere Lötspitze, falls man noch einen alten Weller Magnastat hat. Auch da gibt es Spitzen mit mehr als 300°C Regeltemperatur.

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