Deutsch ist nicht gleich Deutsch: Wir Schweizer würden uns als Modell-Pilot zertifizieren lassen, oder eine Modellflug-Lizenz erwerben. Bei unseren nördlichen Nachbarn erbringt man einen Kenntnisnachweis für Fernpiloten. Egal, man muss halt eine theoretische Prüfung machen. Einen Looping vorzufliegen ist nicht nötig.
Motivation
Alle Jahre wieder zur Ferienzeit tauchen sie auf, die guten Ideen betreffend die perfekten aber sträflich vernachlässigten Modellfluggelände im benachbarten Ausland. Seien es die windverwöhnte französische Atlantikküste, Sardiniens Wetterseite oder die gute alte Tannenalm.
Früher konnten wir Schweizer einfach das Flugzeug ins Auto packen und ab die Post. Dieses passt zwar immer noch in die Ski-Box auf dem Dach, aber leider nicht mehr in den Luftraum der EU. Und sein Pilot auch nicht mehr.
Schuld ist das schrittweise in Kraft gesetzte EU-Regularium „COMMISSION DELEGATED REGULATION (EU) 2019/945 of 12 March 2019 on unmanned aircraft systems and on third-country operators of unmanned aircraft systems“ Die Anforderungen an die Ausbildung und Lizenzierung der Piloten und an die Ausrüstung und Betriebssicherheit des Fluggeräts wurden erhöht. Mit den „third-country operators“ sind wahrscheinlich vor allem wir Schweizer in der unterregulierten Wilden Mitte Europas gemeint.
Es geht um diesen Zettel hier:
Stand der Dinge
Wegen der vielschichtigen Materie, der abgestotterten Einführung und der individuellen Umsetzungsgeschwindigkeit in den einzelnen EU-Staaten ist das alles nicht so einfach. Der Schweizerische Modellflugverband versucht zu helfen: Modellfliegen in der Europäischen Union.
Statt lange zu rätseln stürze ich mich ins kalte Wasser. Ich registriere mich in Deutschland beim Luftfahrt Bundesamt LBA (https://lba-openuav.de/) als Betreiber und Pilot von UASs und gucke was passiert. Mir wird beschieden, dass
- meine Angaben inklusive hochgeladene Ausweiskopie geprüft würden, und dass ich innerhalb von ca. 2 Wochen eine e-ID für UAS-Betreiber erhalten würde. Diese e-ID sei dann am UAS (was auch immer das ist) anzubringen.
- dass ich vor dem Betreiben eines UAS in anderen Klassen als C0 (was auch immer das ist) folgendes zu absolvieren hätte:
- Online-Training
- Test als Zulassungsbedingung für die Online-Prüfung
- Online-Prüfung
Das gleiche mache ich auch noch in Frankreich bei https://alphatango.aviation-civile.gouv.fr als Utilisateur d’Aéronefs Télépilotés. Unnötig zwar, in Deutschland hätte gereicht. Aber höchst interessant, weil es doch viele Unterschiede gibt.
Modellflieger sind in der EU Drohnen-Piloten
Das ist gewöhnungsbedürftig: Die EU regelt das ferngesteuerte Fliegen vor allem aus der Optik der Drohnenbedrohung für die Allgemeinheit. Nachdem was sich einzelne der Drohnen-Piloten geleistet haben, kann man das dem Gesetzgeber nicht verdenken.
Wir Starrflügler müssen uns daran gewöhnen, dass mit den Abkürzungen UAV (Unmanned Aerial Vehicle) oder UAS (Unmanned Aircraft System) auch wir gemeint sind. Rein sprachlich gesehen ist das ja auch nicht falsch. Die Lektüre der einschlägigen Gesetzestexte und Lehrmittel zum Kenntnisnachweis verleitet aber zur Annahme, dass diese nur für Drohnen gelten. – Tun sie nicht! – Und man fragt sich, ob es das auch in einer Version für „normale“ Modellflieger gäbe. – Gibt es nicht!

Ein seltenes Mal stösst man auf Textpassagen wie „… bei einem UAS vom Typ Starrflügler müssen sie nach Änderung der Nutzlast (z.B. Kamera) zusätzlich den Schwerpunkt neu berechnen …“. Erst hier merkt man, was es geschlagen hat. Alles andere kreist fast ausschliesslich um technischen Gegebenheiten, Funktionen, Flugeigenschaften und Anwendungsgebiete von Drohnen im engen Sinn des Wortes, also von Multicoptern mit viel Sensorik und Intelligenz an Bord. Gelten tut es aber trotzdem auch für den 4-Meter-Segler in der F5J-Klasse. Mit einem gerüttelt Mass an Interpretationsspielraum, versteht sich.
Klassifizierung
Wir reden hier nur von der OFFENEN Kategorie (Englisch OPEN). Das deckt den Bereich der Hobby-Fliegerei ab. Die anderen Kategorien sind für die Profis, die Rettungsdienste und das Militär.

Nach meinem Online-Training und der bestandenen Prüfung darf ich dank dem A1/A3-Kenntnisnachweis ein Modell unter folgenden Rahmenbedingungen steuern:
- Fluggewicht unter 900 Gramm (C0, C1) in der unmittelbaren Nähe von unbeteiligten Personen, solange ich diese nicht ÜBERfliege.
- Fluggewicht unter 25 Kilogramm (C3, C4), solange ich einen Sicherheitsabstand von 150 Metern jederzeit einhalte.
Das klingt nicht so restriktiv. Die vielen Spazier- und Wanderwege um meine Flugplätze herum machen das mit den 150 Metern aber problematisch. Die Unterkategorie A2 könnte mit einem reduzierten Abstand von 5m im Langsam- und 30m im Schnellflug helfen. Allerdings nur bis 4 Kilogramm.
Die A2 kriegt man auch nicht wie die A1/A3 in zwei, drei Stunden übers Internet nachgeworfen. Dafür blüht dir zusätzlich eine praktische Selbstschulung mit verbindlicher Selbstdeklaration und eine erweiterte theoretische Ausbildung mit Prüfung vor Ort.
Technische Ausrüstung
Bei der vorgeschriebenen technischen Ausrüstung läuft einem auf den ersten Blick der kalte Schauer über den Rücken. Zwingend erforderlich sind Höhenmesser mit einstellbarer Maximalflughöhe, Fernidentifizierung (Transponder) und Geo-Sensibilisierung wenn nicht gar Geo-Fencing.
Nur nicht in der Klasse C4. – Weshalb? – Das wurde im Online-Kurs nicht explizit erklärt. Ich musste es nachträglich recherchieren: C4 sind die klassischen Flugzeugmodelle, also wir mit den UAS vom Typ Starrflügler. C0 bis C3 zielen hauptsächlich auf die Multicopter. – Puh, nochmal Schwein gehabt.

Meine Eindrücke
- Die Prüfung ist kein Hexenwerk. Ich habe den Online-Kurs des LBA inkl. Test für die Prüfungszulassung in knapp 3 Stunden durchgearbeitet. Die unmittelbar danach abgelegt Online-Prüfung habe ich mit 100% bestanden. 75% hätten gereicht. Man könnte also den Lehrgang mit etwas weniger Liebe zum Detail in kürzerer Zeit absolvieren.
- Unmittelbar nach dem Online-Kurs war ich schockiert. Müsste ich das Gelernte 1:1 auf meine klassische Modellfliegerei anwenden, würde mir wahrscheinlich der Spass und/oder das Geld ausgehen. Erst nachträgliche Recherchen haben ergeben, dass uns die EU nicht zusammen mit den Multicoptern an die kurze Leine nimmt. In der Klasse C4 bekommen wir genügend Auslauf.
- Die EU-Gesetzgebung zu 2019/945 bedeutet letztlich nur: Mach die Prüfung A1/A3, wenn du in der EU fliegen willst. Einen verregneten Samstagnachmittag ist das allemal Wert. Auch wenn du in der Schweiz bleibst schadet es nicht, die Good Airmanship und ein paar Sicherheitsregeln mal wieder gepredigt zu bekommen.